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US-Sanktionen vs. EU-Blocking-VO. Kontokündigung nach dem Oberlandesgericht Frankfurt unwirksam.

Ein im Juli 2025 veröffentlichtes Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt kommt zu dem Schluss, dass eine Befolgung von US-Sanktionen gegen die EU-Blocking-VO verstößt. Vorausgegangen waren Kündigungen von Kontoverträgen, nachdem der Kunde auf einer US-Sanktionsliste geführt wurde. 


⚖️ Der Fall im Überblick

Ein deutsch-iranischer Unternehmer sah sich 2020 mit der Kündigung sämtlicher privater Kontoverbindungen konfrontiert. Der Kunde führte seit ca. 30 Jahren Bankkonten, Depots und Kreditkarten bei der Deutschen Bank. Diese wurden, kurz nach seiner, später als unrechtmäßig eingestuften, Aufnahme auf die sogenannte Specially Designated Nationals and Blocked Persons list ("SDN Liste") des Office of Foreign Assets Control („OFAC“), von der Großbank gekündigt. Die geschah im Oktober / November des Jahres 2020. Es folgte eine erneute und diesmal ordentliche Kündigung im März 2022, mit Verweis auf eine seit 2007 angewandte „Iran Policy“.

Anliegen des Klägers waren die Fortführung der Kontoverträge und die Entrichtung eines Schadenersatzes für entstandene Schäden. Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. In einem Berufungsprozess war der Kläger hingegen teilweise erfolgreich. 


📌 Sichtweise des Oberlandesgerichts

  • EU-Blocking-Verordnung greift: Artikel 5 der Verordnung untersagt europäischen Unternehmen, US-Sanktionen wie dem „Iran Freedom and Counter-Proliferation Act“ zu folgen.

  • Unrechtmäßige Kündigungen: Die Richter stellten fest, dass die Kündigungen in direktem Zusammenhang mit der SDN-Listung der OFAC stehen und daher gegen EU-Recht verstoßen. Der Verweis auf die langjährige „Iran Policy“ des Kreditinstituts überzeugte das Gericht nicht, da offenblieb, warum diese erst 2020 zu einer Kündigung führte.

  • Schadensersatzpflicht: Die Deutsche Bank muss dem Kläger die hieraus entstandenen Schäden ersetzen.

  • Bedeutung der ordentlichen Kündigung: Mit der erneuten ordentlichen Kündigung der Kontoverträge im Jahr 2022, wurden diese mittlerweile wirksam beendet. Eine Nichtigkeit dieses Schritts ist daher nicht erkennbar. Da sich der Kläger zum Zeitpunkt der ordentlichen Kündigung seit fast einem Jahr nicht mehr auf der SDN Liste befand, ist die Befolgung eines Fremdsanktionsregimes nicht anzunehmen.


🔍 Bedeutung für Finanzinstitute

Das Urteil bringt die wenig in der Öffentlichkeit thematisierte EU-Blocking-Verordnung wahrnehmbar zur Anwendung. Europäische Finanzinstitute, die (offensichtlich) in Folge von Fremdsanktionsregimen ihre Leistungen gegenüber Kunden einschränken oder diese einstellen, können rechtlich belangt werden. Deshalb sollten nachfolgende Aspekte berücksichtigt werden:


1. Ableitung geeigneter Rechtsgrundlagen

·         Durchführung von Einzelfallprüfungen: Maßnahmen wie Kontokündigungen haben auf einer EU-konformen Grundlage aufzusetzen, wie z.B. Bonitätskriterien oder bekanntgewordenen relevanten Negativerkenntnissen. Ein bloßes Abstellen auf Fremdsanktionsregimen ist hingegen nicht statthaft.

·         Fundierte Darlegung der Entscheidung: Eine plausible und belastbare Dokumentation der Kündigungsgründe kann im Falle eines Verfahrens entlastend wirken. Eine Einbindung der geschäftsabschließenden Stelle, Compliance-Funktion, des Rechtsbereichs oder einer externen Rechtsberatung kann, in Abhängigkeit der Ausgangslage, sinnvoll sein.


2. Belastbares Compliance-Set-Up

·         Screening von Sanktionsentwicklungen und Ableitung von Maßnahmen: Unabdingbar ist ein regelmäßiges und engmaschiges Screening von europäischen und relevanten nicht-europäischen Finanzsanktionen und Embargobestimmungen. Potenzielle Auswirkungen, wie z.B. im Falle des „Iran Freedom and Counter Proliferation Act of 2012“, sind für die jeweiligen Geschäftsfelder zu bestimmen. Sollte Handlungsbedarf, wie Kündigungen oder Einschränkungen von Leistungen, erkannt werden, sind die vorgenannten Einzelfallprüfungen vorzunehmen.

·         Sensibilisierung von Mitarbeitern: Schulungen zu Sanktionsbestimmungen, wie z.B. dem Instrument der EU Verordnung (Sanktionsverordnungen, EU Blocking Verordnung), Außenwirtschaftsgesetz und -verordnung sind essenziell. Ein effektives Zusammenwirken zwischen geschäftsabschließenden Stellen, Compliance und dem Rechtsbereich ist von zentraler Bedeutung, um eventuelle Fallstricke, wie z.B. bei Kündigungsvorgängen oder vertraglichen Ausgestaltungen, frühzeitig zu erkennen und EU-rechtskonform agieren zu können.


3. Kommunikationsstrategie betreffend Geschäftskunden und externen Stellen

·         Kommunikation der Kündigungen: Benennung spezifischer sachlicher Kündigungsgründe, um Spekulationen über externe Beweggründe zu vermeiden.

·         Nachvollziehbare Dokumentation des internen Entscheidungsprozesses: Die Dokumentation sollte aufzeigen, dass die Entscheidung im Einklang mit EU-Recht steht.

·         Zeitlicher Aspekt: Vermeidung, sofern möglich, eines zu engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen einem entsprechenden externen Ereignisses und einer Kündigungsmaßnahme.


4. Adressierung des möglichen Spannungsfelds zwischen EU- und US-Recht

International agierende Finanzinstitute können sich einem Spannungsfeld zwischen den beiden vorgenannten Rechtssystemen ausgesetzt sehen. Eine Pauschalantwort betreffend einen Umgang mit US-Sanktionen, beispielsweise im Kontext von Vertragsangelegenheiten, grundlegenden Zusicherungen oder im Falle von Listungen, ist schwerlich zu finden. Wenn hierbei scheinbar unüberbrückbare Gegensätze festgestellt werden, kann eine Thematisierung über geeignete Kanäle (z.B. Arbeitskreise, Verband, nationale Aufsichtsstellen) gegebenenfalls dazu beitragen, dass die zuständigen EU-Institutionen zumindest auf diesen Missstand hingewiesen werden.


📌 Fazit: Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt zeigt die rechtlichen Implikationen auf, die sich aus gegensätzlichen Interessenlagen des US-Sanktionsrechts sowie der EU-Blocking-Verordnung ergeben. Eine unreflektierte Befolgung von US-Vorgaben kann daher für europäische Finanzinstitute in rechtlicher Hinsicht problematisch werden. Vor diesem Hintergrund ist ein EU-Recht-konformes Compliance Set-Up von sehr wesentlicher Bedeutung, welches die relevanten Stellen im Haus sensibilisiert und auf nachvollziehbare und belastbare Prüfungen und Dokumentation abstellt. Das "Timing" des Vorgehens kann dabei ebenfalls sehr entscheidend sein. Angesichts der gegenwärtigen geopolitischen und politischen Entwicklungen, dürfte das Thema durchaus eine zunehmende Relevanz erfahren.

 

 
 
 

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